Weihnachten (24. Dezember 2022)

Das Fest von Weihnachten bringt in uns eine ganze Menge zum Schwingen. Und ganz offensichtlich kann sich ihm niemand entziehen. Vorfreude, Melancholie ob des wieder endenden Lebensjahres und der Ungewissheit der Zukunft, manchmal auch nur die Vorfreude auf den Tag danach, wenn es endlich vorbei ist. Tatsächlich können diese Tage eines schon, uns überfordern, uns auf die Grenzen unseres so stolzen aufgeklärten Menschseins hinweisen. An diesem Fest reibt sich der seiner selbst bewusste smarte Zeitgenosse an der Frage, was er eigentlich ist?! Wann ist er, besser wie lange ist er etwas „wert“, wann sollte er besser einsehen, dass er nur noch eine Belastung ist, die nichts mehr „nützt“ – die Diskussion der aktuellen Regierung um den assistierten Suizid macht die Türen weit auf zu einer Grundsatzfrage, wann wir was wert sind!? Wem gebe ich dann heuer in Zeiten der Knappheit von Medikamenten, die selten gewordenen Arzneien? Zu wem gehöre ich? Wer gehört zu mir?! Der Anfang des Johannesevangeliums bringt es auf den Punkt: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Hegesias, ein griechischer Philosoph des 3. Jahrhunderts v. Chr. trieb es soweit, dem Leben nur dann Wert zuzumessen, wenn man es ohne den geringsten Schmerz erleben könne, wenn nicht, dann solle man es ohne weiteres beenden, er bekam sogar den Beinamen: Peisithanatos, wörtlich, der zum Tod Überredende.  "Freitod" ist ein Ausdruck bei uns, der auf das philosophische Werk "Also sprach Zarathustra" (1884) von Friedrich Nietzsche zurückgeht. Darin heißt es: "Den freien Tod predige ich Euch, der nicht heranschleicht wie Euer grinsender Tod, sondern der da kommt, weil ich es will."

Mit einem solchen Denken geht auch eines einher: Eine Falle! Es ist eine für den Menschen typische Falle: wer unserer Eitelkeit schmeichelt, der kann sich seines Erfolges bei vielen von uns sicher sein. Und diese Falle ist enorm:  Der Mensch tut so, als ob er tatsächlich autonom sei. Der Mensch ist kein in sich geschlossenes autonomes Individuum. Er ist kompatibel, offen für Gott, nach dem er sich bewusst oder unbewusst sehnt. Ja, ich behaupte, er braucht Gott, um Mensch zu sein. Wenn er das vergisst, wird seine Welt in Folge seiner gewollten Gottlosigkeit keine Spur menschlicher, wir brauchen Gott, um menschlich zu sein. Mensch, ein Wesen, das sich seiner Schönheit und Würde bewusst ist in dem Augenblick, in dem es sich seiner Gottebenbildlichkeit bewusst ist. Es ist müßig, sich all der Beispiele zu erinnern, bei denen Menschen in der Geschichte Gott los werden wollten und zum Tier mutierten, und ich bin mir bewusst, dass Tiere besser sein können als wir! Und dann wurde munter entschieden, was menschlich wertvoll ist und was nicht. Vorsicht, die Büchse der Pandora lässt grüßen, jeder kann sehr wohl in die Lage kommen, dass andere zu uns dann logisch sagen: Du, sieh es doch ein, Du nützt uns nichts mehr, steh nicht im Weg.

Der Mensch ist offen für Gott selbst. Er ist nicht in sich abgeschlossen, gleichsam autark, er kann sich weder selbst erschaffen, noch selbst erlösen. Das erlösende Wort, die erlösende Tat kommt immer von einem Du, das zu mir eben dieses Wort sagt: Du bist, Du bist schön, Du bist gut, Du bist mein Mensch. Da beginnt Erlösung, wir schenken sie menschlich sogar oft, vollendet schenkt sie allein Gott dem Menschen. Er ist auf Gott hin geschaffen, sein Menschsein sehnt sich mit allen Fasern seines Lebens nach dem Ganzen, gerade da, wo er sich als Teil, als Fragment, gerade als hinfälliges wahrnimmt.

In der Weihnachtszeit soll uns genau dieser Aspekt begleiten. Mensch, Du bist wer!

Gerade in diesen Tagen überfällt uns dann auch unser ganzes Fragment-Sein, unsere Hilflosigkeit, wann immer wir allein sind. Beschämen wir uns nicht selbst, in der Meinung, uns klein zu machen, wenn wir dazu stehen, dass wir bruchstückhaft sind, dass wir Gottes bedürfen. Heben Sie heute nicht zu sehr den Kopf, voller menschlichem Stolz, dann sehen Sie nicht, dass auf dem Boden das Kind liegt, Gott da ist. Wer diese Hand Gottes im Kind von Bethlehem annimmt, der erfährt, dass er ganzer Mensch ist.

 

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